Die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Werkstätten ist von der bevorstehenden Staatenprüfung zur UN-Behindertenrechtskonvention geprägt. Der zuständige Fachausschuss hatte vor vier Jahren "die schrittweise Abschaffung der Werkstätten für behinderte Menschen durch sofort durchsetzbare Ausstiegsstrategien und Zeitpläne" gefordert.
Die Bundesregierung kann bei der jetzt anstehenden zweiten und dritten Prüfung auf die Neuerungen des Bundesteilhabegesetzes verweisen, die zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch keine grundlegende Änderung bewirkt haben. In der Fachöffentlichkeit hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten in ihrem Papier "Werkstatt im Wandel" für eine behutsame Öffnung und Weiterentwicklung des Werkstättensystems ausgesprochen und verfolgt die Idee einer Definition und Zielvorgabe der "Guten Werkstatt". Kritikern wie der "Initiative Inklusion" von Roland Frickenhaus aus Dresden und Heinz Becker aus Bremen geht das nicht weit genug. In einem offenen Brief zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderung forderten sie und eine Reihe prominenter Mitunterzeichner dazu auf, eine breite Fachdiskussion darüber zu führen, wie das System der beruflichen Teilhabe in Deutschland grundlegend verändert werden kann.
Einen Beitrag zu einer solchen Diskussion liefert nun Dieter Basener (Gründer und bis 2014 Leiter von 53° Nord). In einem Positionspapier mit demTitel "Die Werkstatt verändern – aber wie? Vorschläge für eine grundlegende Reform des Systems der beruflichen Teilhabe" nimmt er aus seiner Sicht eine Analyse des aktuellen Systems vor, benennt die wesentlichen Ziele für eine Reform und macht eine Reihe konkreter Vorschläge für eine Neugestaltung des Hilfesystems, einschließlich einer Umorganisation der Werkstätten.
Seine Vorschläge beinhalten unter anderem
• den flächendeckenden Ausbau von Vermittlungsdiensten, die unabhängig
von der Werkstatt arbeiten,
• Vorrang für Vermittlungsbemühungen vor Aufnahme in die WfbM,
• eine Beschränkung der Platzzahl auf das jetzige Niveau,
• die Sicherstellung der beruflichen Teilhabe von Menschen mit hohem Hilfebedarf,
• eine völlige Neuordnung der rechtlichen Rahmenbedingungen,
• den Wegfall des Zugangskriteriums der "vollen Erwerbsminderung",
• die Öffnung der Werkstatt für andere Personengruppen mit
Vermittlungshemmnissen,
• Arbeitnehmerstatus für die Beschäftigten und ihre Entlohnung über
dem Mindestlohn,
• personengebundene Zuschüsse zu Lohnkosten und zu der erforderlichen
personellen Unterstützung entsprechend dem Hilfebedarf,
unabhängig vom Arbeitsort,
• zusätzliche Zuschüsse für die Werkstatt, um die Produktivitätsmängel
auszugleichen.
Das komplette Positionspapier finden Sie hier.
Mit diesem Papier möchte 53° Nord zu einer inhaltlichen Diskussion einladen. In den kommenden Wochen werden wir weitere Vorschläge und Positionen für eine Weiterentwicklung der beruflichen Teilhabe vorstellen, unter anderem die Position der BAG:WfbM.
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