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"Es ist ja kein Geheimnis, dass die Übergänge auf den Arbeitsmarkt noch Potential nach oben haben"

Interview mit Jennifer Sunder, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), zum Projekt „Neue Teilhabeplanung Arbeit“

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 30. August 2022 |  53° NORD | Textbeitrag

  Weiterentwicklung der beruflichen Teilhabe, Kostenfreie Artikel, Glossen und Humor, Im Gespräch mit...

Unter dem Motto "Arbeit zu Arbeit" richtete der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sich früh an den Zielen der UN-BRK und dem BTHG aus. In einem konsequenten Umbau wurden die Aufgaben des Schwerbehindertenrechts und der Eingliederungshilfe im Teilhabebereich Arbeit zu einer Organisationseinheit zusammengefasst. Das LWL-Inklusionsamt Arbeit, wie es seitdem heißt, will so eine personenzentrierten Teilhabeplanung etablieren – mit dem Schwerpunkt auf Übergänge in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis und starker Vernetzung zwischen allen Akteuren. Wir sprachen mit Jennifer Sunder (LWL) zum Projekt "Neue Teilhabeplanung Arbeit".

KK+: Frau Sunder, Sie sind mit Ihrer Kollegin Sabine Rüffer zuständig für das Modellprojekt Neue Teilhabeplanung Arbeit in sechs Modellregionen in Westfalen-Lippe. Was verbirgt sich dahinter?

Jennifer Sunder: Wir erproben eine neue ganzheitliche Ausrichtung und Systematik zur personenzentrierten Teilhabeplanung von Menschen mit Behinderung über alle Bereiche der Arbeitswelt von Menschen mit Behinderung hinweg. Dazu haben wir im LWL-Inklusionsamt Arbeit die Trennung der Leistungen zur Eingliederungshilfe, also in erster Linie Werkstattleistungen, und der Leistungen nach dem Schwerbehindertenrecht aufgehoben und diese beiden Bereiche unter einem Dach zusammengefügt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Übergängen aus der Werkstatt in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Egal, ob es um eine Leistung in der Werkstatt, zur Förderung des Übergangs oder einer Begleitenden Hilfe zur Sicherung des Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geht – zuständig ist immer das LWL-Inklusionsamt Arbeit. Alle Leistungen werden wie aus einer Hand erbracht.

Das klingt zukunftsweisend. Ist der LWL der einzige Leistungsträger, der diese Bereiche zusammenlegt?

Es gibt meines Wissens ähnliche Ansätze in Baden-Württemberg und in Sachsen, aber wir gehen den Weg wohl am konsequentesten. Wir bündeln alles, was mit dem Thema Arbeit zu tun hat und schaffen dadurch ein schlagkräftiges und ganzheitlich agierendes Team.

Was hat Sie zu diesem Projekt bewogen?

Zum einen die UN-Behindertenrechtskonvention mit ihrer klaren Ausrichtung im Bereich Arbeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Außerdem fordert das BTHG eine stärkere fachliche Steuerung durch den Leistungsträger, bei uns durch den LWL als Träger der Eingliederungshilfe, und eine personenzentrierte Bedarfsermittlung, also unmittelbar mit den Menschen mit Behinderung und nicht über deren Köpfe hinweg. Und es ist unser erklärtes Ziel, die Übergangszahlen aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu forcieren.

Waren Sie damit nicht zufrieden?

Es ist ja kein Geheimnis, dass die Übergänge auf den Arbeitsmarkt noch Potential nach oben haben. Aber um das klar zu stellen: Es geht uns nicht nur um die Menschen in den Werkstätten oder die Werkstattbeschäftigten mit Übergangspotential. Es geht um die Verschmelzung von Eingliederungshilfe und Schwerbehindertenrecht mit allen Facetten.

"Die Teilhabeplaner sollen in die WfbM gehen, sich Zeit nehmen und im persönlichen Gespräch schauen, welche Ziele eine Person hat."

Außer dieser strukturellen Veränderung, was beinhaltet das Projekt noch an Innovationen?

Wir reden immer von vier Säulen: 1. Die personenzentrierte Gesamt- und Teilhabeplanung mit dem Schwerpunkt individuelle Bedarfsermittlung, 2. das ganzheitliche Fallmanagement, das alle Lebensbereiche der Person und sowohl die Werkstatt als auch den Arbeitsmarkt in den Blick nimmt, 3. die Gestaltung der Übergangsprozesse und der Übergangsförderung und 4. die Netzwerke, das heißt die enge Kooperation und Verzahnung aller am Prozess Beteiligten in der jeweiligen Region.

Was wird anders bei der Gesamt- und Teilhabeplanung?

Wir räumen den Teilhabeplanern Arbeit, die den Kontakt zu den Beschäftigten und zu den Werkstätten haben und die Kostenbewilligungen erteilen, deutlich mehr Zeit für die Fallarbeit ein. In konkreten Zahlen heißt das: Waren die Teilhabeplaner bislang für jeweils 4.450 Werkstattbeschäftigte zuständig, liegt das Fallaufkommen pro Vollzeitstelle im Modell bei 700. Ein besonderer Fokus liegt nach dem neuen Ansatz darin, persönliche Bedarfsermittlungsgespräche unmittelbar mit den Werkstattbeschäftigten zu führen. Unserer Teilhabeplanerinnen und -planer sollen mit den Menschen reden und nicht über sie, sollen in die WfbM gehen, sich Zeit nehmen und schauen, welche Ziele und Potentiale die Person hat. Zusätzlich bauen wir ein webbasiertes Dokumentationssystem auf, das die Fallarbeit mit den Informationen, Anforderungen und Maßnahmen dokumentiert und für den weiteren Verlauf verfügbar macht.

Was genau ist mit dem ganzheitlichen Fallmanagement gemeint?

Der ganzheitliche Ansatz stellt die fachliche Qualität in der Fallarbeit sicher, und zwar durch regionale Teams, in denen es für die individuellen Bedarfe die jeweils passenden Ansprechpersonen mit entsprechender Fachexpertise gibt. Mit diesem mehrdimensionalen Blick werden wir der Person und ihren individuellen Bedarfen besser gerecht. Es ist das Prinzip der kurzen Wege. Alle, deren Know-how im speziellen Fall gebraucht wird, kommen an einem Tisch zusammen und behalten die Gesamtsituation gemeinsam mit der Person im Blick. Indem wir auch Leistungen der sozialen Teilhabe mit einbeziehen – Stichwort Gesamtplanung – können wir beispielsweise den Erfolg beim Übergang auf den Arbeitsmarkt absichern, indem wir Lösungen für die Wohnsituation anstoßen und mit unseren Kolleginnen und Kollegen im LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe finden. Es geht aber auch um Hilfen von anderen Leistungsträgern, die wir durch eine gute Netzwerkarbeit mit den externen Partnern leichter einbinden können, wenn diese sinnvoll oder notwendig erscheinen.

Die dritte Säule ist das Übergangsmanagement. Wer ist konkret mit dem Übergang betraut?

In unserem Modell haben wir eine neue Funktion geschaffen, den Übergangsmanager. Er wird tätig für alle Personen, für die das LWL-Budget für Arbeit im Raum steht. Er koordiniert die Netzwerke, insbesondere mit anderen Reha-Trägern, überwindet Hindernisse, und glättet Lücken, die es im System noch gibt.

Dann spielen die Integrationsfachdienste natürlich eine wichtige Rolle. In den Modellregionen haben wir ihnen mehr Ressourcen eingeräumt. Sie kooperieren mit ihrem Know-how eng mit den Werkstätten, wenn es um die Vermittlung in sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten, insbesondere über das LWL-Budget für Arbeit geht. Übrigens geht es nicht nur um Übergänge aus der WfbM, sondern auch um die Entwicklung von Alternativen zur Werkstatt etwa für Schulabgänger oder für psychisch erkrankte und behinderte Menschen, oftmals nach längeren oder mehrfachen Aufenthalten in der Psychiatrie...

Ihr viertes Handlungsfeld sind die Netzwerke. Welche sind gemeint?

Gemeint sind funktionierende Netzwerke und gute Kooperationen auf allen Ebenen, mit den Reha-Trägern, den Psychosozialen Diensten, dem Jobcenter oder den Arbeitgebern und Kammern. Wir schauen, welche Netzwerke es in den Regionen schon gibt und wo noch Bedarf ist, speziell an den Schnittstellen. Wo hakt es, wo können wir Impulse setzen, dass die Zusammenarbeit noch besser funktioniert, die Kontakte möglichst niedrigschwellig sind?

Manchmal sind Kooperationshemmnisse zwischen den Beteiligten ja vorprogrammiert. Werkstätten mögen es häufig nicht, wenn die IFDs die Vermittlung übernehmen, weil diese dann in ihren Augen die Früchte der jahrelangen Entwicklungsarbeit ernten.

Ja, diese Probleme gibt oder besser gab es. In den Modellregionen haben sich die Rollen und Aufgaben allerdings durch unsere Impulse zur Kooperation, die enge Vernetzung mit vertrauensvoller Zusammenarbeit auf Augenhöhe schnell geklärt. In den drei Regionen, die ich betreue, sind die Werkstätten des Lobes voll über die gute Zusammenarbeit mit den IFDs. Die fachlich gute und persönlich geschätzte Zusammenarbeit ist dort Realität und kein Wunschdenken. Entscheidend hierfür ist aber auch, dass jede erfolgreiche Vermittlung ein gemeinsamer Erfolg aller Beteiligten im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft ist und dieses auch so aktiv kommuniziert wird.

Ein anderer Kooperationsbereich, an dem es oft hakt, ist die Kooperation zwischen den Leistungsträgern. Sie versuchen mit ihrem Ansatz ja offensichtlich, dass alle mit ihren Mitteln und Möglichkeiten ein gemeinsames Ziel verfolgen. Gelingt das?

Das gelingt, auch wenn es da an der einen oder anderen Stelle noch Potential nach oben gibt. Indem wir auch da den Weg der Vernetzung und des engen Austausches gehen und so viel Informationen zur Verfügung stellen wie möglich, treffen wir auf eine große Bereitschaft und Interesse zum Austausch und zur konstruktiven Zusammenarbeit.

"Es gibt viele Ansprechpartner und Wege in den Übergang."

Wie kommt eine Person auf Ihre Vermittlungsliste?

Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. In NRW haben wir in den Schulen die standardisierte Berufsorientierung mit einer Potenzialanalyse nach dem Programm KAoA-STAR, (Kein Abschluss ohne Anschluss – Schule trifft Arbeitswelt), auch für Schüler mit Behinderung. Bei allen Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf sind die Integrationsfachdienste involviert. Entweder die Vermittlung auf den Arbeitsmarkt gelingt direkt nach Beendigung der Schule, oder nach einer Berufsvorbereitenden Maßnahme, die in der Regel durch die Agentur für Arbeit gefördert wird.

Sollte der Weg doch, ggf. vorübergehend, in die Werkstatt führen, wird dafür Sorge getragen, dass die Informationen aus der Potenzialanalyse und Erkenntnisse aus Schülerpraktika und anderen Maßnahmen mit der aufnehmenden Werkstatt besprochen werden. So kann die Werkstatt erkannte Potenziale weiterentwickeln und einen späteren Übergang auf den Arbeitsmarkt in den Blick nehmen. Spätestens dann wären auch die IFDs wieder mit im Boot. Während der Zeit im Arbeitsbereich der Werkstatt führen unsere Teilhabeplaner die Bedarfsermittlungsgespräche mit den Werkstattbeschäftigten und die Werkstätten unterstützen den Teilhabeprozess mit ihren eigenen Diensten. Das sind viele Ansprechpartner und Wege in den Übergang. Und natürlich kann die Person selber jederzeit bei uns ihren Vermittlungswunsch anmelden und eine entsprechende Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung einfordern.

Sind die IFDs direkt in den Werkstätten vertreten?

Ja, in den Modellregionen haben sie dort regelmäßige Sprechstunden direkt vor Ort. Und die Teilhabeplaner Arbeit sind den Beschäftigten durch die vorangegangenen Bedarfsermittlungsgespräche und Kostenbewilligung ebenfalls bekannt. Auch zu Abstimmungsgesprächen mit den Werkstätten sind die Teilhabeplaner häufig persönlich vor Ort in den Werkstätten. Die Rückmeldungen zum Ende des Modellprojekts sagen uns: Unsere verstärkte Präsenz vor Ort und die intensivere Fallsteuerung kommt bei den Beschäftigten an. Sie fühlen sich mit ihren Wünschen und Perspektiven mehr wahrgenommen und ernstgenommen.  Das ist spürbar und wurde auch dokumentiert in den Ergebnissen einer Befragung durch ein Beratungsunternehmen, das das nTA-Modellvorhaben evaluiert hat.

"Bei der Auswahl der Modellregionen wollten wir ein repräsentatives Bild."

Die Modellphase ist demnächst vorbei. Wie lang war die Laufzeit?

Vom 1. Juli 2019 bis zum 30. September 2022, wobei zunächst Einarbeitung und Qualifizierung der Fachkräfte im Vordergrund standen. Offizieller Start war Januar 2020. Zunächst waren zwei Jahre Modellzeit vorgesehen, die aufgrund der Corona-Pandemie um neun Monate bis Ende September 2022 verlängert wurden.

Wie haben Sie die sechs Regionen ausgewählt?

Wir wollten ein repräsentatives Bild, um realistische Ergebnisse zu erzielen und die Übertragbarkeit zu gewährleisten. Wir haben daher im Vorfeld eine Infrastrukturanalyse durchgeführt und im Ergebnis sehr unterschiedliche Regionen ausgewählt – städtische und ländliche aus allen Teilregionen in Westfalen-Lippe. Verschiedene Kriterien, spielten bei der Auswahl eine Rolle, wie beispielsweise die Arbeitslosenquote, schon vorhandene Netzwerke und die Träger der Werkstätten vor Ort. Von unseren 27 Gebietskörperschaften wurden sechs zu Modellregionen, acht Werkstätten sind beteiligt. Ich bin zuständig für die kreisfreien Städte Hamm und Münster und den Kreis Siegen-Wittgenstein, meine Kollegin für die Stadt Bochum und die Kreise Herford und Warendorf. Das sind drei Flächenkreise und drei Städte.

Und wie sind Sie in der Modellphase vorgegangen?

Es gab in allen Regionen Auftaktveranstaltungen, um das Modell vorzustellen und dann haben wir in Form von regelmäßigen Workshops mit den jeweiligen Netzwerkpartnern zu unterschiedlichen fachlichen Themen gearbeitet. Einmal zum Thema Werkstatt mit den jeweiligen WfbM, den IFDs, der Agentur für Arbeit, der Deutschen Rentenversicherung und mit uns, dem LWL. Zum anderen zum Thema Arbeitsmarkt mit den Fachstellen für behinderte Menschen im Beruf, der Agentur für Arbeit und den Jobcentern. Wir schauen vor allem die Schnittstellen an, erarbeiten ein gemeinsames Vorgehen, legen Strukturen und Abläufe fest. Es können auch Lösungen aus einer Region auf eine andere übertragen werden, wie die Inklusionskonferenz, die die Herforder sehr erfolgreich entwickelt haben und die in Siegen und weiteren Regionen übernommen wurde.

Was ist Ihre Aufgabe dabei?

Aus unseren Sachbereichen heraus steuern wir den Prozess auf operativer und strategischer Ebene. Wir haben den Gesamtablauf im Blick, setzen Impulse, verbreiten gute Praxisansätze, gestalten die Schnittstellen effizienter und niedrigschwelliger und entwickeln Arbeitshilfen, um Informationen z.B. zu Qualifikationen und beruflichen Erfahrungen zu sichern und zu transportieren, damit diese nicht auf den institutionellen Wegen verloren gehen. Die sind schließlich das A und O in diesem Prozess.

Wie binden Sie die Schulen und die Agentur als Träger der Berufsbildung ein?

Die sind zum einen ja in den Netzwerken vertreten und an den Workshops beteiligt. Und wir sorgen mit einer einheitlichen Dokumentation für einen guten Informationstransfer. Im Mai diesen Jahres haben wir alle Agenturen aus den Modellregionen noch einmal nach Münster eingeladen, gute Erfahrungen zu Instrumenten und Prozessen ausgetauscht und gemeinsam erarbeitet, wo es noch weitere Aufgabenfelder gibt und diese konkret beschrieben.

"Das höchste Potential liegt bei den ausgelagerten Arbeitsplätzen. Die sind gute Türöffner für den Übergang."

Kommen wir zu den Ergebnissen des Projekts. Die Firma con_sens war ja mit der Evaluation betraut. Was hat die herausgefunden?

Netzwerkqualität lässt sich schwer messen. Die deutlichste Kennzahl ist die Übergangsförderung. Da sehen wir signifikante Verbesserungen bei den Übergängen aus den Modell-WfbM im Vergleich zu den Nicht-Modellregionen im selben Zeitraum.

Können Sie das in Zahlen ausdrücken?

Unsere aktuelle Erhebung, die im Abschlussbericht zur Evaluation entsprechend kommuniziert wird, zeigt, dass wir in den Modellwerkstätten rund 50 bis 60% mehr Übergänge in den Arbeitsmarkt schaffen als in den Nicht-Modellregionen. Das ist für uns und für alle Beteiligten ein toller Erfolg. Insbesondere natürlich für die Menschen mit Behinderung. Die Erfahrung zeigt, dass auch hier die ausgelagerten Arbeitsplätze ein gutes Sprungbrett in den allgemeinen Arbeitsmarkt sind. Sie sind ein guter Türöffner für den Übergang, allerdings nur dann, wenn sie auf den Übergang ausgerichtet sind und nicht als Daueraußenarbeitsplätze geplant werden.

Wieviel Werkstatt-Plätze hat der LWL?

Insgesamt sind es 38.000 Plätze im Arbeitsbereich bei 59 Werkstätten. 6.500 davon, also rund 15%, umfassen dabei die acht Modell-WfbM.

Was hat con_sens noch herausgefunden?

con_sens hat eine qualitative Erhebung zu den Bedarfserhebungsgesprächen der Teilhabeplaner gemacht. Auch da waren die Rückmeldungen sehr positiv, die Beschäftigten empfanden die Gespräche als Wertschätzung und als Chance. Bei diesen Gesprächen geht es ja nicht nur um Übergänge, die personenzentrierte Teilhabeplanung hat alle Werkstattbeschäftigten im Blick, auch diejenigen, die die WfbM als geschützten Rahmen brauchen. Auch für die gibt es individuelle Ziele und die entsprechende Förderung.

Wie lange dauert so ein Bedarfserhebungsgespräch und wie häufig sind sie?

Etwa ein bis zwei Stunden. Es ist eine Interaktion zwischen Teilhabeplaner und Beschäftigten. Jemand von der Werkstatt kann, wenn der oder die Beschäftigte das wünscht, dabei sein. Die Teilhabeplaner sind ein- bis zweimal in der Woche vor Ort und führen dabei etwa zwei bis drei Gespräche.

Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?

Sowohl mit den Übergangszahlen, mit der personenzentrierten Teilhabeplanung und auch was die Netzwerke angeht, sind wir auf einem sehr, sehr guten Weg. Auch beim ganzheitlichen Fallmanagement erleben wir, dass alle Beteiligten immer mehr auch die jeweils anderen Perspektiven mitdenken und wir so tatsächlich ganzheitlicher und sozialraumorientierter agieren.

"Das Vermittlungsthema bekommt eine höhere Priorität, mit mehr Manpower und einem stärkeren Input von außen."

Lässt sich das Ergebnis mit den 50% mehr Vermittlungen einfach auf alle Regionen hochrechnen oder gibt es einen Modelleffekt wegen der besonderen Motivation und der Aufmerksamkeit durch das Projekt?

Unser Konzept lenkt den Fokus ja insgesamt stärker auf das Vermittlungsthema. Es bekommt eine höhere Priorität, mit mehr Manpower und einem stärkeren Input von außen. Insofern gehen wir davon aus, dass dieses nicht nur ein Modelleffekt ist. Übrigens waren auch die Nicht-Modellregionen in diesen drei Jahren besonders motiviert. Sie sind über die Ideen und Entwicklungen im Modell informiert, wollten zeigen: Wir vermitteln auch ohne ein Modell, und haben sich besonders angestrengt. Leider fiel der Modellzeitraum genau in die Corona-Zeit. Das war ein großes Hindernis bei der Vermittlung. Wir hoffen, dass es in der Ausbaustufe mindestens bei den Zahlen bleibt, die wir jetzt erreicht haben, 50 Prozent on Top, und dass wir mit diesem Erfolg das Modell ausrollen können.

Wie soll es denn nach dem Ende des Modells weitergehen?

Die con_sens-Ergebnisse werden bewertet, was unseren Ressourcen-Einsatz betrifft. Wenn das Ergebnis positiv ausfällt, werden die Modell-Ansätze sukzessive auf weitere Kreise und kreisfreie Städte in Westfalen-Lippe übertragen. Im nächsten Jahr auf weitere voraussichtlich fünf bis sechs Regionen, dann die nächsten usw.

Wann wären Sie damit durch?

Wahrscheinlich Ende 2026.

Was ist Ihr persönliches Resümee als Verantwortliche für die Modellphase?

Alle Beteiligten sind näher zusammengerückt, wir, die Werkstätten, die Teilhabeplaner, alle, die involviert waren. Der Mensch mit Behinderung ist deutlich mehr im Mittelpunkt und an allen Prozessen aktiv beteiligt. Ich erlebe in der Werkstattlandschaft, dass da auch wirklich Lust auf Veränderung und Interesse an einer Mitgestaltung ist. Wir haben ein tragfähiges System etabliert, mit belastbaren Beziehungen. Wir als LWL werden weniger als anonyme Behörde wahrgenommen, werden zu Personen, die präsent und ansprechbar sind. Gute Teilhabeplanung und gelingende Übergänge leben von persönlichen Kontakten.

Vielen Dank, Frau Sunder.

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