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Brücken bauen für eine inklusive Arbeitswelt

Selbstreflexion und Chancen erkennen als Schlüssel zur erfolgreichen Veränderung

Bild Brücken bauen für eine inklusive Arbeitswelt

 08. Dezember 2025 |  Katrin Euler | Textbeitrag

Die LAG WfbM Mecklenburg-Vorpommern diskutierte mit 200 Teilnehmenden über Chancen, Barrieren und Wünsche für bessere Brücken in eine inklusive Arbeitswelt. Wie kann Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gelingen – und welche Rolle spielen dabei die Werkstätten für behinderte Menschen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Inklusiven Netzwerktreffens Mecklenburg-Vorpommern, das im März diesen Jahres unter dem Motto „Brücken bauen für eine inklusive Arbeitswelt“ im Solitär-Tagungszentrum in Parchim stattfand.

Veranstaltet wurde das Treffen von der LAG WfbM in Mecklenburg-Vorpommern (LAG WfbM M-V) gemeinsam mit den Lewitz-Werkstätten gGmbH und der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege. Rund 200 Teilnehmende – mit und ohne Behinderung – aus Werkstätten, Unternehmen, Politik und Verwaltung kamen zusammen, um Chancen, Barrieren und Wünsche auf dem Weg zu einer inklusiven Arbeitswelt zu diskutieren. Ziel war es, den Austausch zwischen allen relevanten Akteuren zu fördern und Perspektiven aufzuzeigen, wie Übergänge aus den Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt künftig erfolgreicher gestaltet werden können.

Werkstätten als Brückenbauer

Werkstätten für behinderte Menschen sind zentrale Bindeglieder zwischen Menschen mit Behinderung, Betrieben und Leistungsträgern. Sie verfügen über Erfahrung, Know-how und das nötige Gespür für passgenaue Übergänge. Viele Teilnehmende betonten, dass Inklusion vor allem dann gelingt, wenn Werkstätten als kompetente Vermittler und Begleiter eingebunden sind.

In den Workshops wurde mehrfach hervorgehoben, dass Werkstätten über den geschützten Rahmen hinaus wertvolle Qualifizierungsmöglichkeiten, Außenarbeitsplätze und Pilotprojekte bieten, die als Brücken in den allgemeinen Arbeitsmarkt dienen. Damit diese Angebote ihre volle Wirkung entfalten können, müssen sie bekannter gemacht und personell besser ausgestattet werden.

Selbstreflexion als Schlüssel zur Veränderung

Neben den vielen positiven Beispielen wurde auch deutlich, dass die Werkstätten selbst in einem Veränderungsprozess stehen. Sie erkennen zunehmend, dass sie ihre eigene Rolle weiterentwickeln müssen – vom geschützten Ort hin zum aktiven Akteur im inklusiven Arbeitsmarkt.

Ein zentrales Thema war dabei das Übergangsmanagement: Viele Werkstätten sehen, dass sie dafür mehr qualifiziertes Personal und klare Zuständigkeiten brauchen. Übergänge dürfen keine Nebenaufgabe bleiben, sondern erfordern gezielte Begleitung, Zeit und fachliche Kompetenz.

Auch die proaktive Zusammenarbeit mit Betrieben wurde selbstkritisch angesprochen. Werkstätten wollen künftig stärker auf Unternehmen zugehen, Kooperationen initiieren und sich als verlässliche Partner auf Augenhöhe positionieren. Nur wenn Begegnung und Austausch regelmäßig stattfinden, entstehen Vertrauen und nachhaltige Beschäftigungsperspektiven.

Darüber hinaus hinterfragten Fachkräfte auch die eigene Haltung: Inklusion beginnt nicht erst beim Arbeitgeber, sondern im Selbstverständnis der Werkstätten. Es braucht Offenheit für neue Wege, Mut zum Ausprobieren und Geduld im Umgang mit individuellen Lebenswegen. Denn kritische Selbstreflexion und eine damit einhergehende Veränderung des eigenen Handelns ist der erste Schritt, um das öffentliche Bild von Werkstätten zu verändern.

Chancen: Haltung, Unternehmenskultur und Netzwerke

Einig waren sich die Teilnehmenden, dass Inklusion vor allem durch Haltung und Miteinander gelingt. Unternehmen, die Vielfalt leben, gewinnen motivierte Mitarbeitende und stärken zugleich ihre Teams. Werkstätten leisten dazu einen wichtigen Beitrag, indem sie Menschen befähigen, Selbstvertrauen aufzubauen und neue berufliche Schritte zu wagen.

Positiv hervorgehoben wurde die Wirkung von Netzwerken und Begegnungsformaten wie dem Schichtwechsel, die Verständnis und Kooperation fördern. Überall dort, wo Menschen mit und ohne Behinderung auf Augenhöhe zusammenarbeiten, wächst Inklusion ganz praktisch.

Barrieren: Bürokratie, Unsicherheit und fehlende Strukturen

Trotz vieler Fortschritte bleibt der Weg steinig. Komplexe Antragsverfahren, unklare Zuständigkeiten und fehlende Barrierefreiheit im Alltag erschweren den Zugang zum Arbeitsmarkt. Viele Betroffene fürchten zudem finanzielle Nachteile beim Wechsel aus der Werkstatt. Auch Betriebe klagen über Informationsdefizite und rechtliche Unsicherheiten.

Vor allem aber sind es oft zwischenmenschliche Barrieren, die Teilhabe verhindern: Vorurteile, Missverständnisse oder Unsicherheiten im Umgang mit Behinderung. Hier sind Information, Aufklärung und gegenseitiges Lernen gefragt – und Werkstätten können auch in dieser Rolle wichtige Multiplikatoren sein.

Wünsche: Begleitung, Bürokratieabbau und Anerkennung

Menschen mit Behinderung wünschen sich faire Chancen, barrierefreie Arbeitsplätze und echte Mitbestimmung. Arbeitgeber fordern Beratung und klare Ansprechpartner, um inklusive Beschäftigung praxistauglich umzusetzen.

Werkstätten wiederum wünschen sich mehr Freiraum, Personal und Vertrauen, um ihre Rolle als Brückenbauer weiter auf- und auszubauen. Entscheidend wird aber sein, dass sie diese Verantwortung konstruktiv annehmen und aktiv mitgestalten, mit den jeweils bestehenden Möglichkeiten und einer großen Offenheit gegenüber Veränderung.

Fazit: Inklusion gelingt nur gemeinsam

Der Ergebnisbericht zeigt: Inklusion braucht Zusammenarbeit, Haltung und Bewegung auf allen Seiten. Werkstätten bleiben dabei die zentralen Akteure – als Qualifizierungsorte, Vermittler und Brückenbauer für gelebte Teilhabe.

Das Netzwerktreffen in Parchim hat gezeigt, dass Mecklenburg-Vorpommern auf einem guten Weg ist. Doch klar ist auch: Nur wenn sich alle Akteure, allen voran die Werkstätten selbst, weiterentwickeln, kann das Ziel einer wirklich inklusiven Arbeitswelt erreicht werden.

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