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Sven Kastens einsamer Kampf

Neues aus Volksheim

Bild Sven Kastens einsamer Kampf

 25. Juli 2023 | Textbeitrag

  Glossen und Humor

Die ersten Jahrgänge der Printausgabe unsere Zeitschrift KLARER KURS - Magazin für berufliche Teilhabe enthielten jeweils einem humoristischen Beitrag. Er berichtete in Form einer Glosse über Ereignisse aus den fiktiven Werkstätten für angepasste Arbeit in Volksheim und nahm Werkstatttypisches und Zeitgeistiges rund um die WfbM aufs Korn. Illustriert wurde die Rubrik von der Hamburger Zeichnerin Stefanie Clemen. Wir finden, nach 15 Jahren lohnt es sich, die Beiträge noch einmal hervorzuholen und zu schauen, was davon inzwischen überholt und was vielleicht noch aktuell ist. Deshalb versorgen wir Sie in unregelmäßigen Abständen erneut mit »Neuem aus Volksheim«. An den Anfang stellen wir jeweils eine zeitgeschichtliche Einordnung.

Um die Jahrtausendwende war die Qualitätssicherung in der Wirtschaft ein beherrschendes Thema. Auch Werkstätten ließen sich nach der Qualitätsnorm DIN ISO 9000 zertifizieren, um mit ihrer Produktion am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Hatte die Qualitätswelle den Betrieb einmal erfasst, ließ die Werkstatt häufig auch ihre Reha-Leistungen zertifizieren. So auch bei den Volksheimer Werkstattbetrieben für angepasste Arbeit. Sie entwickelten sogar besonderen Ehrgeiz und stürzten sich in den internationalen Normierungswettbewerb. Wie dies ausging, erfahren Sie in dieser Folge der Rubrik »Neues aus Volksheim«. Entnommen ist sie der Ausgabe 1 unseres Magazins KLARER KURS aus dem Jahr 2008.

Wir befinden uns im Jahre 2008 n. Chr. Ganz Germanien ist von der Norm erfasst.... Ganz Germanien? Nein! In den Werkstätten für angepasste Arbeit in Volksheim hört ein unbeugsamer Individualist nicht auf, der Normierung Widerstand zu leisten. Sein Name: Sven Kasten. Aber werfen wir einen Blick zurück: Begonnen hat alles mit der Zertifizierung nach DIN ISO 9000 gegen Ende des letzten Jahrtausends. Die Volksheimer WaA erwarben mit Stolz das TÜV-Zertifikat für ihre Produktion.

Erfolg macht süchtig und so gab die Geschäftsleitung die Devise aus, auch die Förder-Angebote müssten normiert werden. Alles lief nach Plan, bis auf die kleine Einschränkung, dass ein gewisser Sven Kasten sich partout einer Förderung verweigerte. Wider besseres Wissen verstand er ständig »Beförderung« und behauptete, er käme auch allein nach Hause. Das Zertifikat erhielt der Betrieb trotzdem und weiter ging´s im Wettkampf um die Meisterschaft der Europäischen Normierungs-Gesellschaft (ENG). Sven Kasten weigerte sich standhaft, die neue Firmenkleidung zu tragen, warf mehrfach die teure Betriebsbrille von Reha-Optik in die Tonne und verlangte sein altes Kassengestell zurück. Die Prüfer hatten mittlerweile ein wachsames Auge auf die WaA geworfen und sie wurde nur deshalb Europameister, weil am entscheidenden Tag in Sven Kastens Gruppe ein Betriebsausflug angesetzt war.

Dafür ereilte sie das Schicksal in der Endausscheidung um die Normierungs-Weltmeisterschaft. Mit im Rennen: Harte Konkurrenz aus Japan und Südkorea. Im entscheidenden Moment, bei der morgendlichen Motivationsübung vor der gehissten Flagge, an der Stelle, wo die Belegschaft einheitlich eine halbe Wendung nach rechts vollziehen sollte, reihte sich Sven Kasten ein und drehte sich mit seinem typischen Antippen der Nasenspitze, wie auch sonst? nach links. Vor den Augen der unabhängigen Jury! Es half nichts, die Weltmeisterschaft war verloren, der Titel ging nach Japan und der Qualitätsbeauftragter der WaA warf entnervt das Handtuch. Nur Sven Kasten geht weiterhin ungerührt und unnormiert seiner Arbeit nach.

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