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Sven Rosé, Beruf: Straßenkünstler

Selbstständiger Künstler unterstützt durch die Hamburger Arbeitsassistenz

Bild Sven Rosé, Beruf: Straßenkünstler

 21. November 2023 |  Dieter Basener | Textbeitrag

  Kostenfreie Artikel, 53° NORD-Porträt

„Hallo, ich bin Sven Rosé, ich bin der Maler,“ begrüßt ein großer, kräftiger Mann ein junges Pärchen auf dem Schulterblatt, der Hauptstraße des Hamburger Szeneviertels „Schanze“. David und seine Freundin sind vor einem Straßenhändlerstand stehengeblieben, der Ungewöhnliches zu bieten hat.

Ein Hamburger Original aus St. Pauli

Ausgestellt sind farbenfrohe Tierbilder, alle mit markant großen Augen. Die Auswahl ist riesig: Elefanten sind dabei, Enten, Schwäne, Kakadus, Pinguine, Tiger, Löwen, Giraffen, Affen oder Zebras. Auch Einhörner, Fische, Schildkröten, Flamingos, Drachen und Antje das Walross. „Das ist der St.Pauli-Zoo,“ klärt Sven Rosé die beiden auf. „Ich male meine Bilder mit dem Herzen, ganz spontan. Das ist Love Art. Und Recycling-Kunst. Ich male auf alten Obstkisten oder auf Kaffeesäcken.“

Tatsächlich geben die verwendeten Materialien den Bildern einen besonderen Touch. Und weil der Künstler dem Pärchen auch noch preislich entgegenkommt, erwerben sie einen grauen Elefanten mit leuchtend grünen Augen, gemalte auf eine Holzkiste von Elbe-Obst für 30 Euro - einen Original Sven Rosé. „Vielleicht ist das Bild in ein paar Jahren ein Vermögen wert,“ hoffen die beiden bei ihrem Weggehen.

Bild Sven Rosé, Beruf: Straßenkünstler
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Selbstständiger Straßenhändler unterstützt durch die Hamburger Arbeitsassistenz

Sven Rosé war schon mit 16 Jahren Straßenhändler. Damals war er allerdings noch mit indischem Modeschmuck unterwegs, die er zunächst in Frankfurt und später bei Aladin auf der Reeperbahn erwarb und mit gutem Gewinn auf dem Fischmarkt an Touristen weiterverkaufte. Bald zog es ihn weiter in andere Städte und schließlich nach Berlin, wo er dem Wehrdienst zu entgehen hoffte. Er konsumierte Drogen und rutschte in eine ausgewachsene Psychose. Er landete in Ostberlin, wurde festgenommen, und kam in die ostdeutsche Psychiatrie. Unter Medikamenteneinfluss sprang er schließlich von einer Brücke, weil er glaubte, so die Welt zu retten. Die Folge: Schwere Brüche in beiden Füßen. Es sollte Jahre dauern, bis er genesen war.

Später kam er zurück nach Hamburg und wurde vom St. Pauli-Team der Rautenberg-Gesellschaft sozialpsychiatrisch und künstlerisch unterstützt. Die berufliche Wiedereingliederung lag in den Händen der Hamburger Arbeitsassistenz, deren Geschäftsführer Achim Ciolek rückblickend eingestehen muss: „Mit einem 9 bis 5-Job sind wir bei ihm gescheitert. Sven und eine übliche Erwerbstätigkeit, das passt nicht zusammen.“

Sven Rosé fand seinen eigenen Weg. In der Maltherapie kam er zunächst mit Wachsmalstiften, dann mit Pinsel und Farbe in Kontakt und entwickelte seinen eigenen Stil, die plakativen Tiermotive mit den charakteristischen Augen. Ein Bekannter auf dem Isemarkt gab ihm den Tipp, auf alten Obstkisten zu malen. („Die einzige Idee, die ich geklaut habe.“) Bald kamen Kaffeesäcke dazu. Eine Marke entstand: Die Love Art als Recycling-Kunst, verbunden mit einer etwas vagen Weltverbesserer-Philosophie. Passend dazu kreierte der Künstler seine eigenen Website.

Für die Vermarktung griff Sven Rose auf sein Händler-Know-how zurück. Er begann, seine Kunst auf Ständen an belebten Straßen, an Bahnhöfen und im Hafen zu verkaufen. Die Hamburger Arbeitsassistenz verstand schnell, dass dieser Berufsweg zu ihm passte, stattete ihn zum Transport der Kunstobjekte mit einem Fahrrad-Lastenanhänger aus und half ihm bei der Beantragung eines Reisegewerbescheins. Sven Rosé wurde Selbständiger, ein Straßenhändler in Sachen Kunst. Bei der Erfassung der Einnahmen durch seine Verkäufe und der Ausgaben wie Farben, Kisten oder Säcke unterstützt ihn die Hamburger Arbeitsassistenz, bei der Steuererklärung sein gesetzlicher Betreuer.

Eine lokale Berühmtheit

In Hamburg ist Sven Rosé auf St. Pauli, in der Schanze oder in Altona bekannt und beliebt. Seine Kunden sind Einheimische und Touristen. Kleine Kinder mögen die Motive besonders. „Meine besten Kunden sind die Fünfjährigen,“ sagt er selber. „Die bringen die Eltern dazu, das Portemonnaie zu öffnen.“ Sein Verkaufstalent führt zu guten Umsätzen und auch Marketing ist seine Stärke: Sich selbst bezeichnet er als „Hamburger Original aus St. Pauli“. Er verfügt über eine eigene Visitenkarte, eine gut gemachte Website, ist bei Facebook zu finden. Dutzende von Artikeln sind schon über ihn erschienen, dazu Kurzfilme, u.a. vom NDR oder vom Norderstedter Lokalsender noa4.

Und er weiß, dass Stillstand Rückschritt ist. Die Kunden wollen neue Kollektion sehen und Sven Rosé entwickelt sich weiter. Er veranstaltet Ausstellungen und verkauft über das Internet, auch wenn das leider noch schleppend läuft. Die Rautenberg-Gesellschaft verwendet für die Kinderkleidung in ihrem Modelabel „Rosenblatt & Fabeltiere“ Sven Rosés Tierbilder. Zu den Recycling-Materialien, die er bemalt, sind alte Vinyl-Platten hinzugekommen, ebenso die Seiten einer historischen Luther-Bibel. Er bearbeitet neue und historische Fotomotive aus St. Pauli digital und baut seine Tiere darin ein. Zunehmend bekommen seine Bilder damit Tiefe, auch mit gemalten Hintergründen. Im Niedrigpreisbereich sind seine Motive als Ansteckbuttons von sechs Zentimetern Durchmesser erhältlich, die Buttonmaschine hat das Kulturbehörde  bezuschusst.

Allerdings wird auch dieser Künstler allmählich älter und seine nie wieder ganz hergestellten Füße machen ihm zu schaffen: „Das lange Stehen am Stand fällt mir zunehmend schwer,“ sagt er. Er möchte von der Straße weg und sucht eine Ausstellungs- oder Verkaufsmöglichkeit in einem Laden, der seine „Bilder mit Herz“ vertreibt. So ganz wird er seinen Anhänger aber wohl nicht einmotten, dafür ist er in seinem Herzen zu sehr Straßenhändler.

Als Achim Ciolek, der Geschäftsführer der Hamburger Arbeitsassistenz ihm neulich vorschlug, sich einen Stuhl an den Verkaufsstand zu stellen, wehrte er diesen Vorschlag als möglicherweise geschäftsschädigend empört ab: „Das geht überhaupt nicht. Ich will doch verkaufen und das kann ich nur auf Augenhöhe mit den Kunden.“

Und so werden David und seine Freundin, das junge Pärchen vom Schulterblatt, wohl auch künftig Sven Rosés Kunst auf der Straße erwerben können. Seine besten Kunden sind schließlich die die schon ein Bild von ihm haben. Das erste Bild hat ihnen jedenfalls gefallen. Im Gästebuch auf der Seite „lieber.sven“ fand sich nach dem Kauf folgender Eintrag: „Moin Sven. Danke nochmal für den Elefanten und weiterhin viel Erfolg! David.“

Videos über Sven Rosé gibt es auf youtube, vom NDR oder noa4.

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