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Mutmachgeschichten und Methoden!

Was Werkstätten von der UN-Konventionell-Tagung mitnehmen können

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Maike Carlsen und Mora Gulton sind Peer-Experten für Arbeit.

 23. September 2025 |  Dieter Basener | Textbeitrag

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Ein Seminarraum an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, ein sonniger Septembertag 2025, die Atmosphäre ist konzentriert und offen. Rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgen den Ausführungen von Maike Carlsen und Mora Gulton. Sie sind Peer-Experten bei der Hamburger Arbeitsassistenz (HAA) und den Elbe-Werkstätten und beide erfahrene Experten im Bereich Wege in Arbeit.

Eindringlich und authentische schildern sie ihren eigenen, oft schwierigen beruflichen Wege, berichten von Umwegen, von Enttäuschungen, aber auch von den Chancen, die sich eröffnet haben. Maike Carlsen fand schließlich über die HAA eine Stelle in einem Hamburger Altenheim, einen Arbeitsplatz, der sie ausfüllt und der ihr Halt gibt. Mora Gulton wiederum arbeitet in einem Sozialkaufhaus im Norden Hamburgs. Beide nutzen heute diese Erfahrungen, um anderen Mut zu machen. Als Peer-Experten begleitet sie Menschen mit Behinderungen, die den Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen wollen. Ihre Botschaft an diesem Tag ist klar: „Es lohnt sich, dranzubleiben. Es gibt Wege, auch wenn sie nicht immer geradeaus führen.“

Dieser persönliche und emotionale Beitrag war eines der Highlights auf der Abschlussveranstaltung des Aktion Mensch-Projekts „Wie Vermittlung in den Arbeitsmarkt gelingt“, das unter dem Titel „Chance Arbeit“ vom Verein UN-Konventionell, Netzwerk für Sozialraum-Arbeit, durchgeführt wurde. Die Teilnehmenden, überwiegend Fachkräfte aus Werkstätten für behinderte Menschen, waren gekommen, um Anregungen für ihre Arbeit mitzunehmen.

Forschung trifft Praxis

Die Veranstaltung startete mit der Vorstellung einer umfassenden Untersuchung, die ein Team der THWS unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter Kulke und Lukas Kresse in den vergangenen 18 Monaten durchgeführt hat. Zehn erfolgreiche Fachdienste haben die Wissenschaftler besucht, deren Vorgehensweisen analysiert und dokumentiert. Ergebnis dieser Arbeit ist eine Sammlung von Handreichungen, die praxisnah, systematisch und von allen einschlägigen Diensten nutzbar sind.

Die Handreichungen decken die gesamte Spannbreite des Übergangsprozesses ab: Vom Erstkontakt über die Klärungsphase bis hin zu Kooperations- und Arbeitsverträgen. Sie geben Hinweise zur Organisation und Ausstattung von Diensten, enthalten Empfehlungen zu Rahmenbedingungen und stellen eine umfangreiche Materialsammlung bereit: Checklisten, Formulare, Vertragsvorlagen.

Prof. Kulke fasste die zentralen Erkenntnisse zum Vermittlungserfolg in vier Kernpunkten zusammen:

  • Netzwerke knüpfen und pflegen: Nur durch enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, Betriebe, Dienste, Kostenträger und Angehörige, entstehen tragfähige Übergänge.
  • Personenzentrierung: Jede Vermittlung muss die individuellen Wünsche und Stärken der einzelnen Person ins Zentrum stellen.
  • Qualifizieren im Betrieb: Statt Menschen erst lange vorzubereiten und dann zu vermitteln, sollte die Qualifizierung von den realen Anforderungen des Arbeitsplatzes ausgehen.
  • Regionale Passung: Jedes Vermittlungskonzept muss die spezifischen Strukturen vor Ort berücksichtigen, von Bundesland zu Bundesland, von Stadt zu Stadt, von Landkreis zu Landkreis.
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UN Konventionell fachtagung 2025

Workshops mit Tiefgang

Nach der Präsentation öffnete sich die Tagung für praxisnahe Workshops. Die ReferentInnen diskutieren ihre Erfahrungen teils sehr intensiv mit Kolleginnen und Kollegen.

Die Themenpalette war breit: die Rolle von Jobcoaches, der Wert von Zertifikaten, die Bedeutung regionaler Netzwerke, die Vermittlung von Menschen mit Sinnesbehinderungen, der Erwerb von Schlüsselqualifikationen, Strategien zur Akquise von Praktikums- und Arbeitsplätzen oder die Methoden der Sozialraumorientierung.

Einer der Höhepunkt war für viele Teilnehmenden die Vorstellung des Peer-Supports, bei dem Menschen mit eigener Erfahrung andere beim Übergang in Arbeit begleiten. Die Schilderungen von Maike Carlsen und ihren Kolleginnen bewies, wie wertvoll diese Form der Unterstützung sein kann: Auf Augenhöhe mit den Arbeitssuchenden und ermutigend.

Podiumsdiskussion: Wohin entwickeln sich Werkstätten?

Zum Abschluss versammelten sich Vertreterinnen der Werkstatträte Bayern, der überörtlichen Sozialhilfeträger, der Bundesarbeitsgemeinschaften Werkstätten für behinderte Menschen und Unterstützte Beschäftigung sowie des Vereins UN-Konventionell zu einer Podiumsdiskussion. Die zentrale Frage: Wie können Werkstätten künftig mehr Wahlmöglichkeiten und Übergänge schaffen?

Die Diskussion zeigte schnell, dass es dabei nicht um ein Entweder-oder geht. Werkstätten werden auch in Zukunft unverzichtbar bleiben, als geschützter Ort, als Lernfeld, als Ort beruflicher Teilhabe. Aber: Ihre Arbeit wird noch stärker daran gemessen werden, wie gut Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt gelingen. Damit das Realität wird, sind zwei Dinge nötig: Zum einen Reformen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen, bei Finanzierung, Personalausstattung und Flexibilisierung der Werkstättenverordnung. Zum anderen eine gemeinsame Haltung aller Akteure: der Wille, Übergänge zu ermöglichen, und die Bereitschaft, die Kompetenzen der Beschäftigten – wie die von Peer-Expertin Maike Carlsen – aktiv einzubeziehen.

Ein Baustein für die Zukunft

Die im Projekt erarbeiteten Ergebnisse und Handreichungen sind dafür ein wertvoller Baustein. Sie bieten konkrete Unterstützung für neue wie für etablierte Dienste und können dazu beitragen, den Übergang von Werkstätten in den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern.

Ab Ende Oktober, Anfang November werden die Materialien auf einer Website frei zugänglich sein. Der Verein UN-Konventionell wird die Veröffentlichung breit kommunizieren, damit möglichst viele Fachkräfte von den Ergebnissen profitieren können.

Am besten werden Sie Mitglied bei UN-konventionell und bringen sich und die eigenen Aktivitäten direkt im Netzwerk für Sozialraum-Arbeit ein oder abonnieren den Newsletter – um dies bezüglich weiter auf dem Laufenden zu bleiben.

Oder kommen zu unserer ersten gemeinsamen Tagung mit UN-Konventionell: Gemeinsam Zukunft gestalten. Ein Wettbewerb der guten Ideen für mehr Öffnung, mehr Vielfalt und mehr Sichtbarkeit von der Werkstatt der Zukunft.

 

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