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"Unter der Maske sind wir alle gleich"

Zum Tod von Walter Koch

Bild "Unter der Maske sind wir alle gleich"

 30. Januar 2023 |  Dieter Basener | Textbeitrag

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Selten waren Veranstaltung von 53° NORD so intensiv und nachhaltig, selten haben sie allen, die dabei waren, soviel Freude gemacht, soviel Enthusiasmus und Lust auf Umsetzung erzeugt wie unsere Theaterworkshops in Würzburg. Das lag vor allem am mitreißenden Workshopleiter Walter Koch, für den es ein Leichtes war, bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Hemmungen zu überwinden und Lust am Spiel zu wecken. Am 13. Januar ist der begnadete Schauspieler und Regisseur im Alter von 71 Jahren verstorben.

Der Sonderpädagoge Walter Koch hatte seine eigene Sicht darauf, wie sich Entwicklungs- und Therapieprozesse in Gang setzen lassen. Sein Credo: "Nichts fördert die Persönlichkeitsentwicklung direkter und nachhaltiger als das Theaterspiel. Es schult die Selbstwahrnehmung und die Wahrnehmung von anderen, erweitert das Verhaltensrepertoire und stärkt Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen." Folgerichtig arbeitete er intensiv daran, dem Theaterspiel in der Behindertenarbeit mehr Raum zu geben.

Dabei war er nach dem Abitur zunächst auf einem ganz anderen Weg: Nach einer entsprechenden Ausbildung trat er in den Polizeidienst ein, den er aber nach einigen Jahren wieder quittierte, um Pädagogik zu studieren. In Bremen wurde er zu einem der Mitbegründer des Blaumeier-Ensembles, prägte das für Blaumeier typische Spiel mit Großmasken und wirkte in den 80er Jahren an legendären Theaterprojekten wie "Jakobs Krönung" oder "Fast Faust" mit. Im benachbarten Oldenburg gründete in den 90er Jahren eine vergleichbare Theater- und Kunstinitiative, das Blauschimmel-Atelier, bevor es ihn an den Bodensee zog.

Neben seiner Workshop- und Theaterarbeit rund um das Thema Behinderung kreierte er in den Folgejahren unter dem Titel DoxCity von Konstanz aus eine ganz eigene Theaterform, Großevents, an denen die ganze Stadt beteiligt war. Die Idee: Eine Theaterrevue, die bei Einbruch der Dunkelheit auf einem zentralen Platz stattfindet, fiktive Ereignisse zum Inhalt hat und sich auf diesem Platz im Verlauf eines Tages abspielen. Rund 50 Laienschauspieler probten für diesen Auftritt, teils in Mehrfachrollen, Menschen unterschiedlicher Herkunft und Profession, ohne oder mit einer Behinderung. Sie entwickelten etwa viele Einzelszenen, die nur lose miteinander verbunden waren und einen leicht schrillen, teils witzigen, teils tiefsinnigen Eindruck von der Vielfalt des städtischen Lebens gaben. Der Rathausbalkon und die Bäckerei wurden einbezogen, die Feuerwehr, die Polizei, der örtliche Motorrad- oder Oldtimerclub.

Zusammengehalten wurde das Stück mit seiner komplexen Logistik vom unerschütterlich ruhigen, immer freundlichen und zugewandten Regisseur Walter Koch. Auch bei DoxCity verbargen sich die Personen hinter der Großmaske, entzogen sich der üblichen Einstufung und Kategorisierung, getreu Walter Kochs Leitmotiv: "Unter der Maske sind wir alle gleich." Kaum eine Stadt im Bodenseeraum, in der in den vergangenen 15 Jahren nicht ein DoxCity-Projekt mit einer fulminanten Aufführung stattfand.

Jetzt hat der Krebs die Kreativität und Energie des Pädagogen und Menschenfreunds Walter Koch besiegt. Alle, die ihn kannten, werden seine Ausstrahlung, seine Überzeugungskraft, seine Herzlichkeit und Fröhlichkeit in Erinnerung behalten.

 

Hier ein Bericht aus KLARER KURS, Ausgabe 4/2012, über eine DoxCity-Aufführung in Singen

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