Jobcoaching: Eine große Herausforderung, aber eine sehr befriedigende Arbeit
Interview mit Claudia Fels, Betriebsleitung Arbeit Integrationsmanagement, elco GmbH, Neuss

Claudia Fels
Die elco GmbH, früher Gemeinnützige Werkstätten Neuss (GWN) haben bereits vor über fünf Jahren begonnen, ein professionell aufgestelltes Integrationsmanagement unter dem Dach ihrer Werkstatt aufzubauen. Aktuell sind bei der elco GmbH vier Jobcoachs beschäftigt, die insgesamt über 50 Mitarbeitende auf betriebsintegrierten Arbeitsplätzen begleiten. Die Basisqualifizierung Jobcoaching (WfbM) bei 53° NORD war von Anfang an Grundlage der Arbeit. Ein Standard, der beibehalten werden soll. Wir sprachen mit Claudia Fels, Leitung des Integrationsmanagements über die herausfordernde, aber befriedigende Arbeit als Jobcoach.
53° NORD: Frau Fels, Sie leiten das Integrationsmanagement bei der elco GmbH, früher Gemeinnützige Werkstätten Neuss (GWN). Wie verlief Ihr beruflicher Weg?
Claudia Fels: Ich war über 20 Jahre Gruppenleiterin in der Raumbegrünung bei der GWN. 2020 wechselte ich ins Integrationsmanagement, absolvierte nach Corona 2022 die Jobcoach-Ausbildung bei 53° NORD und übernahm 2023 zusammen mit einem Kollegen die Leitung. Ich verantworte den wirtschaftlichen Bereich, er den sozialpädagogischen. Zusammen mit derzeit vier Jobcoachs begleiten wir über 50 Mitarbeitende auf betriebsintegrierten Arbeitsplätzen. Insgesamt beschäftigt die elco GmbH rund 850 Personen in fünf Betriebsstätten.
Sind Sie ein eigenständiger Betriebsteil?
Claudia Fels: Ja, wir sind eine eigene Betriebsstätte, zuständig für Praktika und betriebsintegrierte Arbeits- und Berufsbildungsplätze (BiAPs).
Betreuen Sie auch Plätze im Budget für Arbeit?
Claudia Fels: Wir vermitteln ins Budget für Arbeit, meist drei bis fünf Personen pro Jahr. Die Begleitung erfolgt in NRW durch den Integrationsfachdienst. Derzeit nehmen wir an einem Projekt des Landschaftsverbands teil, das den Übergang aus BiAPs in die sozialversicherungspflichtige Anstellung beleuchtet.
Die TeilnehmerInnen
Wie erreichen Sie Ihre Mitarbeitenden / Teilnehmenden?
Claudia Fels: Viele kennen uns schon und wir kennen sie, weil wir lange in der Werkstatt tätig waren. Das schafft Vertrauen. Die Gruppenleitungen und Betriebsleitungen Reha spielen eine wichtige Rolle, um unsere Mitarbeitenden zu ermutigen und zu bestärken. Auch Stellenaushänge nutzen wir. Mit Sprechstunden waren wir weniger erfolgreich, da kamen oft Mitarbeitende ohne echte Wechselabsicht, um sich zu unterhalten.
Gibt es Spannungen mit Fachkräften, wenn Sie Mitarbeitende vermitteln wollen?
Claudia Fels: Offiziell gibt es keine Widerstände, das ist schließlich unser Auftrag. Aber unterschwellig kommt das schon einmal vor. Es gibt aber inzwischen einen Einstellungswandel: Die Bereitschaft zur Vermittlung ist gewachsen. Natürlich achten wir auch darauf, dass die Produktion funktioniert. Wir stimmen uns eng mit Gruppen- und Betriebsleitungen ab.
Haben Sie auch ausgelagerte Berufsbildungsplätze?
Claudia Fels: Ja, wir kooperieren eng mit dem BBB. Zwar haben wir keinen Jobcoach ausschließlich für diesen Bereich, da die Zahl der Teilnehmenden noch zu gering ist. Aber das Interesse wächst, von Anfang an außerhalb der Werkstatt zu starten. Ein Bildungstag pro Woche findet in der Werkstatt statt, die Praxis in der übrigen Zeit im Betrieb, begleitet durch unsere Jobcoachs.
Vermitteln Sie nur leistungsstarke Personen?
Claudia Fels: Nein. Obwohl Gruppenleitungen häufig befürchten, dass wir ihnen die besten Kräfte abwerben. Motivation ist entscheidender als Leistung. "Leistungsschwächere" Personen können außerhalb der Werkstatt ebenfalls erfolgreich sein. Auch wenn jemand in der Werkstatt sehr auffällig ist, gar keine Arbeit mehr leistet, kann ein Praktikum hilfreich sein. Daraus wird häufig ein betriebsintegrierter Arbeitsplatz.
Begleiten Sie auch Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen?
Claudia Fels: Ja. Wir haben zwei Werkstätten für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung und es kommen Personen mit beiden Behinderungsarten zu uns.
Ist das ein Unterschied in der Begleitung?
Claudia Fels: Definitiv. Bei jemandem mit geistiger Beeinträchtigung werden Defizite teils schneller offensichtlich. Das ist bei psychischer Erkrankung meist nicht der Fall. Die Klienten müssen ihre Erkrankung nicht offenlegen. Wenn man als Jobcoach nicht erläutern kann, was das Problem ist und wie man damit umgehen muss, ist das für die Anleitungen in den Betrieben teils schwierig. Das ist eine Herausforderung und Klarheit hilft uns allen.
Wie wichtig ist die Festanstellung über das Budget für Arbeit für die Mitarbeitenden?
Claudia Fels: Für viele ist das nicht entscheidend. Sie identifizieren sich ohnehin mit dem Betrieb, nicht mit der Werkstatt. Manche möchten jedoch bewusst raus aus der Sozialhilfe und sozialversicherungspflichtig arbeiten, ohne das Etikett "behindert".
Die Arbeit im Team
Sind Sie und Ihre Kolleginnen gut genug für Ihre Tätigkeit ausgestattet?
Claudia Fels: Ja. Wir haben Fahrzeuge, Laptops, Handys und sind personell gut aufgestellt, auch für aufwendige Praktikumsbegleitungen, die im Betreuungsschlüssel ja nicht erfasst sind.
Wie qualifizieren Sie Ihre Jobcoachs?
Claudia Fels: Über die Ausbildung bei 53° NORD. Das ist bei uns der Standard, den wir beibehalten möchten. Neue Kolleginnen hospitieren zunächst bei erfahrenen Jobcoachs, bevor sie eigene BiAp- und Praktikumsbegleitungen übernehmen.
Hat Ihnen persönlich die Ausbildung bei 53° NORD geholfen?
Claudia Fels: Auf jeden Fall. Sie lohnt sich auch für Erfahrene. Die Impulse, speziell durch die Kursleiterin Benina Arendt, sind sehr wertvoll und auch der Austausch mit den KollegInnen aus anderen Werkstäten und Regionen ist wichtig.
Ist Werkstatterfahrung Voraussetzung für die Einstellung?
Claudia Fels: Nicht zwingend, aber hilfreich. Ehemalige FABs kennen sich mit dem Thema Behinderung aus und bringen Kontakte in die Werkstatt mit. Voraussetzung ist das aber nicht.
Unterscheidet sich die Arbeit als Jobcoach stark von der in der Werkstatt?
Claudia Fels: Ja, deutlich. In der Werkstatt arbeitet man im Team, als Jobcoach ist man oft allein im Betrieb. Vieles dreht sich um Organisation, Koordination, schnelle Reaktion. Man muss flexibel und selbstständig sein sowie ein Händchen fürs Zeitmanagement haben.
Gibt es Spezialisierungen im Team?
Claudia Fels: Ja. Eine Kollegin mit hauswirtschaftlichem Hintergrund betreut u.a. Kitas und Seniorenheime. Ein Kollege aus dem Gartenbau übernimmt eher die handwerklichen Bereiche. Diese Spezialisierung ist bei so einem kleinen Team nicht durchgängig, aber sie hat sich bewährt.
Wie organisieren Sie den Informationsfluss und Austausch im Team?
Claudia Fels: Wir haben wöchentliche Besprechungen, unsere Büros liegen unmittelbar nebeneinander und wir kommunizieren über Signal und Teams. Die Kommunikation ist sehr eng. Unsere Datenbank ist ebenfalls sehr hilfreich für die Zusammenarbeit, speziell in Vertretungsfall.
Tauschen Sie sich mit anderen Werkstätten aus?
Claudia Fels: Ja, regelmäßig im Arbeitskreis Werkstätten Niederrhein. Dieser Austausch ist für uns sehr bereichernd, auch unsere Jobcoachs sind dabei. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.
Die Kooperation mit den Betrieben
Ist die schwierig, Betriebe zu akquirieren?
Claudia Fels: Nein, das macht uns kaum Probleme, speziell in Zeiten des Fachkräftemangels. Wir vermitteln vor allem in Kitas, Alteneinrichtungen, Ministerien oder in Industrieunternehmen. Einzelhandel oder Büro sind bei uns schwieriger zu, aber auch weniger gefragt. Wir versuchen, möglichst wohnortnah zu vermitteln.
Sind Behörden und Großunternehmen schwerer zu gewinnen als kleinere Unternehmen?
Claudia Fels: Ja, wegen der langen Entscheidungswege. Eine Vermittlung ins Budget für Arbeit kann dort sehr lang dauern, speziell bei Behörden wie Ministerien oder städtischen Betrieben. Bei kleineren Betrieben geht es oft schneller und unkomplizierter.
Was sind die größten Herausforderungen im Jobcoach-Alltag?
Claudia Fels: Viele Menschen mit Behinderung möchten die Werkstatt gar nicht verlassen, das ist für uns ein schwieriges Thema. Die Werkstatt bietet Sicherheit und soziale Kontakte und eine gute Einzahlung in die Altersrente. Wir merken auch, dass es aufgrund der vielen Alternativen zur Werkstatt immer weniger leistungsstarke Beschäftigte gibt.
Und in den Betrieben?
Claudia Fels: Wichtig ist, dass die Anleitung vor Ort mitzieht. Wenn die KollegInnen im Betrieb dazu motiviert sind, läuft es meist gut. Wenn jemand das ablehnt, wird es schwierig. Aber das ist selten.
Blick in die Zukunft
Sie haben im letzten Jahr neue Jobcoachs eingestellt. Wächst Ihr Bereich?
Claudia Fels: Ja, perspektivisch schon. Momentan ist es eher dynamisch. Einige Stellen enden, neue entstehen. Unsere Geschäftsleitung versteht das, geht das mit.
Wie beurteilen Sie im Nachhinein Ihren Wechsel ins Jobcoaching?
Claudia Fels: Für mich war das eine sehr gute Entscheidung. Dies ist genau der Job, den ich machen möchte. Jobcoaching ist abwechslungsreich. Man lernt viele unterschiedliche Menschen kennen, hat Einblick in viele Firmen. Für die Klienten eine passende Tätigkeit im Arbeitsmarkt zu finden, ist eine große Herausforderung, aber eine sehr befriedigende Arbeit. Es macht jeden Tag aufs Neue Spaß.
Sind betriebsintegriere Arbeitsplätze die Zukunft der Werkstätten?
Claudia Fels: Ich denke ja. Die klassische Werkstatt wird es weiterhin geben, nicht jeder will oder kann betriebsintegriert arbeiten. Aber sie wird sich noch stärker öffnen müssen. Wichtig ist, Wahlmöglichkeiten zu bieten und den Teilnehmenden beides zu ermöglichen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Fels.
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